Leider hat sich bei vielen das Bild durchgesetzt, das Tai Chi Chuan wäre sehr kompliziert und schwierig zu erlernen. Es käme auf "Millimeterbewegungen" an, und der Interessierte, der sich über das Tai Chi erkundigt, wird oft erschlagen von einer Fülle an für ihn zunächst äußerst unsortierten, unklaren oder unverständlichen Informationen, und verschiedenen Stil-Richtungen mit teilweise einer großen Anzahl von Bewegungssequenzen. Diese sehen natürlich allesamt zuerst einmal kompliziert aus - solange man sie selbst nicht erlernt hat. Die Meisten geben hier bereits auf. Und ich sage: zu Recht! Denn wie Sie bald sehen werden, muss es so kompliziert gar nicht sein! Alles Nützliche ist stets einfach – und alles Komplizierte ist unnütz!

Der Cheng Man Ching-Stil stellt also sozusagen eine Essenz dar, durch welche das Yang-Tai Chi Chuan wieder vermehrt an jene natürliche Einfachheit herangeführt wurde, welche es in früherer Zeit einmal besessen haben soll. Alle wesentlichen und wichtigen Grundlagen und Techniken finden sich im Cheng Man Ching-Stil. Nicht mehr und nicht weniger. Dies macht diesen Stil besonders leicht und rasch zu erlernen. Das Besondere am Cheng Man Ching-Stil jedoch ist zusätzlich, dass er ebenso bewusst auf alle exzessiven, rein körperlichen Bewegungen verzichtet – zugunsten einer Fokussierung auf die Ströme des Qi. So wird im Cheng Man Ching-Stil bewusst auf sehr tiefe bzw. relativ anstrengende und schwierige Bewegungen verzichtet. Stattdessen fokussiert sich der Praktiker dieses Stils so ganz auf das Empfinden des Qi und der Energieströme und gerät gar nicht erst in Versuchung, jemals die rein körperliche Seite der Übungen überzubetonen.

Eine kurze Einführung über die Legende des Ursprungs des Tai Chi Chuans durch Zhang Sanfeng, einem heiligen Einsiedler, der vor rund eintausend Jahren in den Wudang-Bergen Chinas als Mönch und Einsiedler lebte. Zhang Sanfeng, bewandert in der Meditation und der inneren Alchemie, soll eines Tages seinen Meister gefragt haben, ob das Qi, dessen Energiestrom er durch seine Einweihung in die daoistischen Geheimlehren während der Meditation zu lenken erlernte, auch in der Bewegung erfahr- und ausdrückbar sei. Kurz darauf hatte Sanfeng einen bedeutsamen Traum, welcher ihm die Inspiration zur Entwicklung des Tai Chi Chuan überbrachte.

Als ein Schüler der geheimen, daoistischen Überlieferungen, war Sanfeng in die Lehre des I-Ging eingeweiht. Und in der Tat wird die Makellosigkeit des ursprünglichen Tai Chi Chuan deutlich, wenn wir es mit dem Modell des I-Ging und der fünf Wandlungsphasen vergleichen - des daoistischen Modells des Kosmos bzw. der Schöpfung und der natürlichen Prozesse. Der strukturelle Kern des Tai Chi Chuan besteht aus den 13 Basistechniken. Diese beinhalten 8 elementare Bewegungsstrategien sowie 5 Schritttechniken. Die 8 elementaren Strategien korrelieren mit den 8 Himmelsrichtungen des dreidimensionalen, materiellen Raumes und entsprechen zugleich den 8 grundlegenden Trigrammen des I-Ging, während die 5 Schrittarten den 5 Wandlungsphasen (Feuer, Wasser, Holz, Metall und Erde) und auch den fünf möglichen Bewegungsrichtungen im Raum entsprechen: nach vorne, nach hinten, jeweils zur Seite und das Zentrum. Diese 13 Grundprinzipien bedienen alle grundlegenden Möglichkeiten der Handlung und der Bewegung innerhalb eines dreidimensionalen Raumes.

Wir erinnern uns: TAO bedeutet vor allem Mitte, Balance, Harmonie und Gleichgewicht. Aus einer solchen Mitte heraus sind alle Dinge am leichtesten erreichbar und am einfachsten veränderbar. Da alles auf dieser Welt und in der Schöpfung aus jeweils zwei Gegensätzen besteht und das ohne Ausnahme - besitzt auch alles (s)eine Mitte. Aus dieser Mitte heraus lösen sich Widerstände auf, aus ihr heraus kann man Dinge bei jeweils geringstem Widerstand bewirken. Dies ist der Weg des TAO, wie er im dritten und vierten Band der Reihe "Professionelles Qi Gong" ausführlich besprochen wird. Und es ist zugleich das innerste und tiefste Geheimnis des wahren Tai Chi Chuan. Beim wahren Tai Chi kommt es nicht so sehr auf die äußerlich sichtbare Methode oder Technik an - sondern viel mehr darauf, das Prinzip der absoluten Mittigkeit, der Wohlspannung intern zu verwirklichen und aufrecht zu erhalten. Geschieht dies, durchdringt man in diesem non-polaren Zustand mühelos die (polare) Abwehr des Übungspartners und wird ungreifbar. Zugleich intensivieren die Bewegungen des Tai Chi Chuan den Strom der Energie, den Fluss des Qi im Körper.

Alle Grundlagen des Tai Chi Chuan werden leicht verständlich in Wort und Bild erklärt. So unter anderem: Die Gewichtsverteilungen auf das jeweilige Bein ("voll" und "leer"), der diametrale Kraftfluss, die Hüfte bzw. der Tiefenpunkt als Quelle aller Bewegungen, der Bogenschritt und vieles mehr.

Auf übersichtlichen Doppelseiten werden über hunderten von klaren, leicht zugänglichen Abbildungen sämtliche Bewegungen und Sequenzen der gesamten Form vollständig erklärt. Schritt für Schritt und in jedem Detail. Selbstverständlich darf hierzu für jede einzelne Bewegung die dazugehörige Schritt-Technik und Fußstellung nicht fehlen, welche stets neben einer jeden Bewegung in einer übersichtlichen Extra-Grafik angezeigt ist.

Am Ende des Buches fassen noch einmal "Schnellübersichten" sämtliche Bewegungsfolgen der gesamten Form im Stile einer "Frame per Frame"-Sequenz zusammen.