Wohlspannung

Wohlspannung – Mehr darüber in den Büchern und auf dieser Website unter “Artikel/Qi Gong-Lexikon“. Auszug:

 

Auch Gegensatzspannung oder im Englischen Opposite Tension genannt, ist eine besondere Form der Körperhaltung oder der Bewegung, die den gesamten Körper (wie auch jede einzelne Bewegung) durch das Prinzip absoluter Gleichförmigkeit (Harmonie) ausbalanciert und in alle 6 Richtungen des Raumes gleichzeitig ausweitet.

Auf diese Weise entsteht niemals eine direktionale Bewegung (oder auch nur geistige Bewegungsintention) in nur eine bestimmte Richtung (wie dies z.B. bei normalen, physischen Kraftanstrengungen der Fall ist, die immer nur direktional, d.h. forciert in eine einzige Richtung wirken). Ein solches direktionales Wirken bezeichnet man als “polare” Kraft, da sie Widerstände erzeugt und hervorruft. Durch das Prinzip der Gegensatzspannung entsteht hingegen Hunyuan-Li – die mehrdirektionale Kraft oder Bewegung, welche eine Analogie zur Nonpolarität besitzt (weil sie das Prinzip der Mitte und Harmonie aller Richtungen und Kräfte spiegelt), und, im Gegensatz zur direktionalen Kraft, durchdringend wirken kann.

Beispiel der Gegensatzspannung: Bei jeder einzelnen Bewegung werden immer alle Richtungen zugleich bedient – und zwar jeweils in annähernd demselben Ausmaße. Hierfür gibt es bestimmte Gegensatzpaare des Körpers, also die jeweils diametral gegenüberliegenden Körperstellen ( z.B. linke Hand – rechte Hand. Oder rechte Schulter – linke Hüfte. Oder Kopf – Füße. Oder rechter Ellbogen – linkes Knie usw.). Bewegt man nun, z.B. im Zuge einer Tai Chi-Bewegung, den rechten Ellbogen nach außen in eine bestimmte Richtung, werden zugleich der linke Ellbogen bzw. das linke Knie in die jeweils entgegengesetzte Richtung bewegt. Dadurch entsteht zu jeder Zeit eine zumindest fühlbare sphärische Ausformung der Körperbewegungen. Maßgebend hierfür sind weniger die tatsächlichen (sichtbaren) Bewegungen des Körpers – sondern viel mehr die eigentliche, geistige und innerlich gefühlte Bewegungs-Intention.

Alle solchen Gegensatzbewegungen geschehen zusätzlich stets um eine absolute Mitte herum – der Körpermitte, Zentralachse (Lot des Körpers) oder dem absoluten Körpertiefenpunkt (beim stehenden Menschen etwa körpermittig in der Nabelgegend gelegen – der Tiefenpunkt variiert allerdings je nach Position, Stand und Haltung und kann so zuweilen sogar außerhalb des Körpers liegen).
Es ist wichtig, dass diese Körpermitte immer besser erspürt und empfunden wird. Sie ist ein wesentlicher Schlüssel – um sie herum geschieht die Wohlspannung.

Bewegt man sich auf diese Art und Weise der Wohlspannung, werden bestimmte Empfindungsphänomene hervorgerufen. Diese können sein: Das subjektive Empfinden einer sphärischen Ausdehnung (des Körpers oder eines “Körperkraftfeldes”, siehe auch Hunyuan-Li), ein Empfinden von “Fülle” oder “Kraft”, das Gefühl, sich in einem Fluidum zu bewegen oder das Empfinden von großer Leichtigkeit, fast Schwerelosigkeit.

Die meisten der sog. “inneren Kampfkünste”, also jener Kampfkünste Asiens, welche sich dem Qi, oder der Lebenskraft anstelle der physischen und materiellen Kraft oder Stärke bedienen, nutzen dieses Prinzip der erzeugten Wohlspannung oder Gegensatzspannung – auch wenn sie dies überhaupt nicht so nennen oder (offen) proklamieren. Beispiele hierfür sind das Tai Chi Chuan, das Yi Quan, aber auch das Aikido, wo es direkt nicht gelehrt wird, aber oft instinktiv geschieht.

Die Wirkung auf den Opponenten ist von besonderer Art: Da bei dieser Art des sich Bewegens jedes direktionale Signal fehlt, sind diese Bewegungen kaum einschätzbar. Es “geht Ihnen keinen Wind voraus”, man “spürt oder sieht sie nicht kommen”. Da diese Bewegungen nicht “polar” wirken, erzeugen sie auch keine reflexhaften, instinktiven Gegenkräfte. D.h. man kann sich nur “indirekt” dagegen “wehren” – und das auch nur, wenn der eigene “Abwehr”-Impuls, der ja wiederum eine instinktive, polare Kraft erzeugt, überwunden wird. Alle normalen Regeln des Zweikampfes werden hier ins Paradoxe verkehrt: Auch ein sich Bewegen auf diese Art ist eigentlich nur dann möglich, solange keinerlei Aggression, Furcht oder andere starke, polare (einseitige, in nur eine bestimmte Richtung wirkende) Kräfte erzeugende Emotionen beim Auszuübenden bestehen. Es siegt hier also tatsächlich und sprichwörtlich der “Friedvolle” über den vermeintlich Starken.

Näher erläutert werden Prinzip und Technik der Wohlspannung, Gegensatzspannung bzw. Opposite Tension in den folgenden Büchern:

“Professionelles Qi Gong – Bände 1-3”, von Günther Dogan

“Das Kompendium der universalen Lebenskraft – Band 2”, vom selben Autor

“Warriors of Stillness”, von Jan Diepersloot

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